Zurück zur vorherigen Seite

Der Alpenverein und die Neugersdorfer Hütte
(Ich möchte an dieser Stelle bemerken, dass der komplette Text aus dem Neugersdorfer Heimatblatt stammt)

Im Februar 1887 fanden sich in Warnsdorf 16 Männer zusammen, um einen eigenen Alpenverein zu gründen. Schon am 21. Mai 1887 fand im »Endlerschen Gasthaus« in Warnsdorf eine erste ordentliche Hauptversammlung statt, wobei die anwesenden Mitglieder den Garngroßkaufmann Friedrich Ernst Berger zu ihrem I. Vorsitzenden wählten. Zu seinem Stellvertreter wurde Justin Rieger ernannt. Bereits im 
Dezember 1887 betrug die Mitgliederzahl des Vereins 137 Personen.


(Friedrich Ernst Berger)


Mit den drei wichtigsten Industriestädten Warnsdorf, Zittau und Neugersdorf war dies eine grenzübergreifende Sektion. Vom DuÖAV (Deutscher und Österreichischer Alpenverein) als besonders arbeitsbedürftig empfohlen, wurden als zukünftige Betreuungsgebiete das »Krimmler Achental« und das Tal des »Wilden Gerlos« ausgewählt. Am nötigsten erschien die Errichtung einer Schutzhütte im oberen Achental sowie die Verbesserung von Wegen dorthin und über die Birnlücke. Im Jahre 1888 unternahmen drei Sektionsmitglieder eine Studienreise in diese Täler, wobei der Ort Krimml im heutigen Bundesland Salzburg als Basislager für kommende Arbeiten dienen sollte. Noch im gleichen Jahr erfolgte der Ankauf eines geeigneten Baugrundes für eine Hütte. Bereits im Januar 1889 beschloß man in einer Hauptversammlung den Bau der ersten Schutzhütte in einer Höhe von 2334 m. Baubeauftragte waren Friedrich Ernst Berger, Anton Richter und Franz Josef Sieber. Auf Antrag eines Sektionsmitgliedes aus Zittau sollte das Gebäude den Namen »Warnsdor-fer Hütte« tragen, weil in dieser Stadt die Sektion gegründet wurde. Im selben Sommer konnten schon 2500 Meter Weg bis zum Hüttenplatz hergerichtet werden. Der Rohbau der Hütte konnte bis zum Einbruch des Winters 1890 fertiggestellt werden. Die Errichtung des Weges und der gesamte Hüttenbau erforderte eine Summe von 6000 Gulden, die durch großzügige Spenden des inzwischen auf 207 Mitglieder angewachsenen Vereins sowie einer Beihilfe des DuÖAV aufgebracht wurde.
Der Bau der »Warnsdorfer Hütte« ging zügig voran, so daß am 24. Juli 1891 etwa 70 Personen, darunter 40 Sektionsmitglieder, die feierliche Schlüsselübergabe durch Baumeister Schett an Friedrich Ernst Berger miterlebten. Trotz des schlechten Wetters wurde dieses Ereignis gebührend gefeiert. Die Bewirtschaftung der Hütte übertrug man dem Tauernwirt Anton'Hofer.
Der Wegebau im Krimmler Achental schritt unvermindert fort, so an den Strecken Unlassalm -Warnsdorfer Hütte und Tauernhaus - Unlassalm. Der Wegebau Warnsdorfer Hütte - Birnlücke und Krimml wurde vorbereitet. Der rührige Verein setzte sich auch für die Errichtung einer Telefonverbindung Krimml - Neukirchen -Mittersill ein. Die Planung einer Eisenbahnstrecke von Zell am See erfolgte ebenfalls auf Initiative von Sektionsmitgliedern. Im Jahre 1892 zählte die Sektion bereits 238 Mitglieder.
Der Ausbau des Weges Birnlücke - Käsern konnte im selben Jahr abgeschlossen werden. Aus finanziellen Gründen mußten die Pläne, eine Verbindung mit dem Wildbachtal und dem Ziller- und Wildgerlostal herzustellen, zunächst beigelegt werden. Aber der Fabrikant Anton Richter ließ schon 1895 einen festen Fahrweg bis an den Bauplatz einer geplanten neuen Hütte anlegen. Auch der Rohbau dieser Hütte war schon im Spätherbst des Jahres 1895 fertig, doch eine Lawine im Frühjahr 1896 machte die Mühe des Vorjahres zunichte. Aber der Bauherr ließ sich nicht entmutigen und ließ 300 Meter tiefer einen neuen Bau entstehen, der am 12. August 1897 bei einer feierlichen Einweihung nach seinem Erbauer den Namen »Richter-Hütte« erhalten sollte. 1897 erreichte der Mitgliederstand der Warnsdorfer Sektion 337 Personen aus 56 Ortschaften.

 

Der Tatendrang der Alpenfreunde kannte keine Grenzen, denn schon 1900 wurde der Bau einer neuen Hütte beschlossen. Wieder setzten sich die Gelder für das Projekt aus Spenden von Sektionsmitgliedem sowie Zuschüssen vom Zentralverein zusammen. Im Jahre 1900 wurde erstmalig ein Jahresbeitrag für die Vereinsmitglieder von 5 Gulden (etwa 9 Mark) festgelegt, in dem aber alle Vereinsmitteilungen und eine 50%ige Fahrpreisermäßigung der k. u. k. Staatsbahnen, unabhängig von der Entfernung, enthalten war. 
Am 9. August konnte nach einjähriger Bauzeit die »Zittauer Hütte« - benannt nach der zweitgrößten Mitgliedergruppe - am unteren Gerlossee auf 2329 m Höhe festlich eingeweiht werden. Zur selben Zeit wurde die Sektion vom Hauptverein mit dem Wegebau im Wildgerlostal beauftragt, um die berühmten »Krimmler Wasserfälle« zugänglich zu machen. Bereits drei Tage nach der Einweihung der »Zittauer Hütte« konnte die Eröffnung des Wasserfallweges feierlich begangen werden. Die Sektion Warnsdorf erfreute sich großen Zuspruchs, so daß 1904 schon 402 Mitglieder gezählt werden konnten. Auch ihre Aufgaben wurden immer umfangreicher, denn das inzwischen 100 km lange Wegenetz sowie die Schutzhütten mußten instandgehalten werden. Durch Unwetter entstandene Schäden konnten oftmals nur unter großer Kostenaufwendung beseitigt werden.
Große touristische Bedeutung gewann der Krimmler Tauern durch den Ausbau des Lan-dessaumweges Krimml - Tauernhöhe - Käsern sowie durch die Alpenvereinswege von der Richter-Hütte und dem Lausitzer Wege nach der Birnlücke. Der Hochpaß des Krimmler Tauern war bekannt durch plötzliche Wetterstürze und Unfälle. Das war ein guter Grund, dort eine Hütte zu errichten. In 2568 m Höhe wurde 1904 für dieses Vorhaben der erforderliche Bauplatz gepachtet. Die beachtliche Summe von 6000 Mark wurde von den Neu-gersdorfer Sektionsmitgliedern für den Hüttenbau zur Verfügung gestellt, so daß 1905 der Bauunternehmer Johann Eppacher aus St. Johann den Auftrag zum Baubeginn erhalten konnte. Witterungsbedingt stand der Rohbau erst im darauffolgenden Herbst. Unter Beteiligung von zahlreichen Ehrengästen und bei prächtigem Wetter fand am 13. August 1907 die Einweihung der neuen Schutzhütte statt, welche den Namen »Neugersdorfer Hütte« erhielt. Die Oberlausitzer Dorfzeitung schreibt anläßlich dieses Höhepunktes sehr eindrucksvoll: »Inmitten der Vorbereitungen der Feier des 250-jährigen Bestehens der Gemeinde Neugersdorf fällt eine andere Feier, mit der der Name Neugersdorf eng verbunden bleibt: Die Einweihung der Neugersdorfer Hütte am Krimmler Tauern. In der Südwestspitze des Kronlandes Salzburg, nahe der Tiroler Grenze und in den Ober-Pinzgau erhebt sich inmitten einer majestätischen Alpenwelt die im vorigen Jahre begonnene, heuer vollendete und bestens eingerichtete Neugersdorfer Hütte. Die Sektion Warnsdorf des deutschen und österreichischen Alpenvereins hat die Neugersdorfer Hütte mit opferwilligster Unterstützung ihrer Neugersdorfer Mitglieder errichtet, und Neugersdorfer Gebirgs- und Naturfreunde sind es auch gewesen, die für eine zweckentsprechende behagliche Einrichtung dieses neuen Unterkunftshauses gesorgt haben. Inmitten großartiger landschaftlicher Schönheiten ladet die Neugersdorfer Hütte ein zu einem Naturgenuß.


Einweihung der Neugersdorfer Hütte 1907

Dem müden Wanderer gewährt sie stärkende Ruhe; weithin kann dieser das Auge schweifen lassen über gigantische Felsgebilde und Gletschermassen, und wer nach arbeitsreichen Wochen hier Erholung sucht, wird solche finden in dem ihn umgebenden Naturfrieden, der im Gegensatz zu dem ruhelosen Schaffen und Arbeitsleben des industriereichen Ortes steht, dessen Namen das neue alpine Schutzhaus trägt.« Als begehrter Stützpunkt am Übergang des Krimmler Tauern bot die Hütte bei plötzlichem Wetterumschwung auch manchem Hirten Schutz, der das Weidevieh aus dem Ahrn-tal ins Krimmler Achental oder zurück trieb. Dank der Bemühungen des I. Vorsitzenden, der Opferwilligkeit von Alfred und Arno Hoffmann aus Neugersdorf sowie der k. u. k. Oberpost- und Telegraphendirektion in Innsbruck war es möglich, daß im August 1910 in der Hütte eine offizielle Telefon- und Telegrammannahmestelle eingerichtet wurde. In den Jahren des ersten Weltkrieges erlahmte die alpinistische Tätigkeit. Infolge der Auflösung der k. u. k. Donaumonarchie und der Gründung der CSR nach dem ersten Weltkrieg mußte die Sektion aus dem Gesamtverband des DuÖAV ausscheiden und 1920 einen eigenen Verein mit dem Namen »Deutscher Alpenverein Warnsdorf« gründen. Zusammen mit dem Lausitzer Höhenweg ging die Neugersdorfer Hütte nach dem ersten Weltkrieg an Italien verloren und wurde seither vom italienischen Zollgrenzschutz als Unterkunft für seine Carabinieri genutzt. Die Italiener gaben dem Schutzhaus den Namen »Ri-fugio Vetta d' Italia« oder »Rifugio Passo dei Tauri«.
Aus einem Reisebericht von Alfred und Günther Kolbe im Jubiläumsjahr 1957 (300-Jahr-Feier von Neugersdorf) geht hervor, daß die italienischen Zollbeamten aber den Bergsteigern gastfreundliche Aufnahme und nach Möglichkeit auch Nachtlager gewährten. Der zweite Weltkrieg unterbrach wiederum die Pläne und das Schaffen des Alpenvereins. Am 14. Januar 1943 verstarb im Alter von 87 Jahren der l. Vorsitzende Friedrich Ernst Berger nach einem schaffensreichen Leben, in dem er 56 Jahre für den Verein gewirkt hatte. Zu seinem Nachfolger wurde Herr Walter Richter aus Salzburg gewählt. Einen neuen Aufschwung im Wirken des Vereins löste 1950 eine Anzeige in der »Sudetendeutschen Zeitung« aus, in der ehemalige Al-penvereinsmitglieder zur Wiederaufnahme der alpinistischen Tätigkeit aufriefen. In den Jahren nach dem Krieg war die Hütte dem Verfall preisgegeben und erst viel später erkannte man die Bedeutung des Schutzhauses, das vom italienischen Staat 1984 umfassend renoviert wurde.
Von einem Besuch in der Zollstation am 15. August 1984 berichten uns Reni und Siegfried Heinig: » ... Wir haben unser Ziel erreicht. Es ist 12.30 Uhr. Wir stehen vor der Neugersdorfer Hütte. Ein freundlicher italienischer Zollbeamter in schmucker Uniform nimmt uns in Empfang. Wir geben uns als Neugersdorfer zu erkennen. Ich zeige ihm meinen Ausweis: Geburtsort Neugersdorf. Das war das Zauberwort. Obwohl Gastfreundschaft in dieser Hütte stets groß geschrieben wird, werden uns die nun anschließenden Stunden unvergeßlich bleiben.«